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Blick auf den Sonnenuntergang

Drei Formen der
Atemübung

Erste Übung

 

Beobachtung des natürlichen Atemflusses und der eigenen, individuellen Atemrhythmik.

 

 

Ausführung

Nehmen Sie eine natürlich aufgerichtete Sitzposition ein. Wenn es möglich ist, vermeiden Sie das Anlehnen, da die wache Konzentration dann besser gehalten werden kann. Zunächst beobachten Sie in sinnvoller Reihenfolge den eigenen Körper.

Füße, Beine und Rumpf werden für einen Moment in die Aufmerksamkeit geführt. Achten Sie auf entspannte und gelöste Schultern. Nacken und Gesichtszüge werden ebenfalls entspannt. Der Kopf sollte aufgerichtet sein und die Augen nicht geschlossen. 

Nach ein bis zwei Minuten der Aufmerksamkeit auf den Körper, richten Sie die Wahrnehmung auf die Atmung.

In mehreren Schritten erfolgt eine gezielte Beobachtung der Atmung.

Die Berührung der Luft an Nase oder Lippen wird einige Momente lang wahrgenommen. Die Luft strömt hier in den Körper hinein und wieder hinaus, dies ist in der Berührung der Luft an der Haut von Nase und Mund spürbar.  

Als nächstes rückt die Bewegung des Atems in das Bewusstsein.

Beobachten Sie zunächst die Bewegung des Brustkorbes im Heben und Senken mit dem Atemstrom. 

Richten Sie nach einigen Momenten die Aufmerksamkeit auf die Flankenregion und bemerken hier die Atembewegungen. 

Wieder nach einigen Momenten lenken Sie die Aufmerksamkeit auf die Bewegungen der Atmung am Bauchraum. 

Werden Sie sich in einem nächsten Schritt der Qualität Ihrer Atmung bewusst.

Fließt sie zum Beispiel in die Tiefe und erfasst füllig den ganzen Körper. Oder ist die Atemqualität ruhig, sanft und sensitiv.

Eine andere Qualität kann eine erlebbare Weite mit einem deutlichen Bezug zum Außenraum darstellen. Oder die Atmung ist tendenziell inniglicher und zentriert sich in die Empfindung einer Art Mitte. 

Als letzter Schritte erfolgt die Wahrnehmung auf die eigene Atemrhythmik, so wie sie in diesem Moment ist.

Jeder Mensch besitzt eine ganz eigene Qualität und Rhythmik der Atmung. Sie ist Teil seiner Individualität und findet sich kein zweites Mal. Beobachten Sie wiederum für einige Augenblicke Ihre Atemrhythmik, bevor Sie die Aufmerksamkeit

davon lösen. 

Wirkung

Eine erste Gliederung und Ordnung zwischen Körper, Atem und Außenraum wird geschaffen. 

Das zur Unruhe neigende vegetative Nervensystem beruhigt sich, das zentrale Nervensystem wird in seiner Fähigkeit zur Aufmerksamkeit gefördert. 

Ruhe bei gleichzeitiger Wachheit entstehen. 

Der individuelle Atem wird erlebt. 

Die Beobachtungsfähigkeit steigert sich. 

Diese Art der Aufmerksamkeitslenkung ist ungewöhnlich. Es kann also gut sein, dass Sie zunächst die Aufmerksamkeit nicht gut halten können und müde werden. Seien Sie geduldig und führen Sie ihr Bewusstsein immer wieder zurück in die Gegenwärtigkeit der Aufmerksamkeit.  

 

 

 

Zweite Übung 

 

pranayama - die Wechselatmung

Im traditionellen Yoga gibt es eine Vielzahl verschiedener Atemübungen.

Die so genannte Wechselatmung ist eine Übung im pranayama. Prana bedeutet übersetzt Energie, oder auch Lebensenergie. Yama bedeutet Führung oder Lenkung. 

​Bei der Wechselatmung wird der Atemstrom abwechselnd durch ein Nasenloch gelenkt, während das andere Nasenloch verschlossen wird. Zwischen der Ein- und Ausatmung wird die Luft angehalten. 

Die Zeit wie lange ein Atemzug geht wird dabei festgelegt. Ebenso die Zeit der Atempause.

Es empfiehlt sich für den Anfang ein Verhältnis von 10 sec. ausatmen, 5 sec. einatmen und 10 sec. Luft anhalten.

Möglich ist aber auch ein Verhältnis von 4:8:16, oder jedes andere Verhältnis.

Günstig ist es aber, wenn die Ausatmung doppelt so lange ist wie die Einatmung. Denn eine verlängerte Ausatmung führt in der Folge zu einer vertieften Einatmung. 

Ausführung

Bevor Sie die Übung beginnen nehmen Sie einige tiefe Atemzüge. Atmen Sie bewusst lange ein und aus.

Nach einigen Atemzügen verschließen Sie am Ende einer tiefen Einatmung mit dem Daumen der rechten Hand das rechte Nasenloch. Atmen langsam über das linke Nasenloch aus. Zählen Sie dabei die Zeit bis 10 Sekunden.

Atmen Sie dann langsam über das linke Nasenloch ein und zählen bis 5.

Dann verschließen Sie mit Daumen und einem anderen Finger beide Nasenlöcher und halten die Luft für 10 Sekunden an.

 

Anschließend öffnen Sie nur das rechte Nasenloch und atmen langsam bis 10 zählend aus. Atmen Sie dann rechts für 5 Sekunden ein und verschließen im Anschluss wieder beide Nasenlöcher. Nach 10 Sekunden öffnen Sie nur das linke Nasenloch und lassen die Luft langsam bis 10 zählend ausströmen. 

Diesen Rhythmus können Sie insgesamt 5 x wiederholen. 

Wirkung 

 

Bewusste Unterbrechung des eigenen, manifestierten Atemrhythmus. 

Führung über einen eigentlich autonomen und unbewussten Prozess. 

Loslösung von treibenden, unruhigen Wunsch- und Willensmächten. 

Durch die Unterbrechung findet der Atemrhythmus in einen Neuanfang. 

Gegenwärtigkeit und Führungskraft werden gefördert. 

 

 

 

Dritte Übung 

 

Der Freie Atem nach Heinz Grill 

Die Sinne richten sich während der Übung nach Außen in den umgebenden Luftraum.

Die Arme und Hände gestalten eine weite, sich öffnende und ästhetische Geste. 

Ausführung

Praktizieren Sie zunächst eine gegenteilige Übung.

In dieser führen Sie die Arme relativ streng nach oben über den Kopf und atmen dabei ein. Führen Sie die Arme wieder nach unten und atmen dabei aus.

Wiederholen Sie die Bewegungen einige Male und steigern Sie ggf. das Tempo. 

Wirkung 

 

Normalerweise dürfte diese Art der mechanischen Bewegung als unangenehm empfunden werden.

Eine gewisse Vitalisierung und dabei Steigerung der Wachheit kann aber ebenso auftreten.

Insgesamt drückt sich hier aber eine Mechanik, Strenge und Abgeschlossenheit gegenüber der Außenwelt aus. 

Die Sinne können sowohl innerhalb des Praktizierens wie auch im Anschluss nicht leicht in einen Außenbezug gehen. 

Nun folgt die eigentliche Übung des Freien Atems. 

Wieder führen Sie die Arme nach oben bis die Hände sich über dem Kopf berühren und führen sie anschließend wieder nach unten. Sie achten aber diesmal darauf, dass die Arme und Hände eine sich öffnende, weite und ästhetische Geste formen. 

Innerhalb der Bewegungen können Sie die Schultern und auch den Nacken entspannt halten. Ihre Sinne werden ganz natürlich in den Raum gerichtet sein. Auch die Berührung des entstehenden Luftstromes an der Haut können Sie bemerken. 

Wiederholen Sie auch diese Bewegung einige Male. Den Gedanken der sich öffnende Geste müssen Sie dabei in jeder einzelnen Bewegung denkend hineinlegen. 

​Sobald die Gedanken und die Aufmerksamkeit anderweitig abschweifen, wird die Bewegung leer und mechanisch. 

Der Atem wird während der gesamten Ausführung natürlich gelassen. Er erhält gar keine besondere Aufmerksamkeit, sondern kann ungezwungen und unbehelligt fließen. 

Wirkung

 

Außenraum und eigene Peripherie rücken gleichermaßen in die Wahrnehmung.

Ein Empfinden von Harmonie entsteht.

Das Nervensinnessystem beruhigt sich und erhält gleichzeitig eine sinnvolle, freudige und schöne Anregung.

Der Atem ist bei den meisten Menschen in einem unbewusst gebundenen Zustand. Besonders Emotionen haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Atemqualität. In der Übung richtet sich die Aufmerksamkeit und Gestaltung  auf eine Handlung die keine  Emotionalität und keinen Intellektualismus beinhaltet.

Dadurch wird eine Loslösung des Atems von intellektuellen Fixierungen und Emotionen möglich. Der Atem wird somit freier.

Innerhalb des Praktizierens erlebt der Übende sich selbst in einem kreativen, ästhetischen Gestaltungsprozess und erlebt gleichzeitig seine Umgebung. Er gestaltet sogar seine Umgebung, da er eine schöne Form mit den Händen in den Luftraum zeichnet.

Da ein Gedanke und eine Handlung in dieser Übung auf vortreffliche und freie Weise zu einander finden, erlebt sich der Mensch in seiner Schöpferkraft und damit in seinem Menschsein an sich. 

 

 

 

 

 

 

 

 

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